Die 10. Histori sagt,
wie Ulenspiegel ein Hofjunger ward und ihn sein Junker lehrte, wa er fund das Krut Henep, so sollt er darin scheißen, da scheiß er in Senep und meint, Henep und Senep wär ein Ding

Bald darnach kam Ulenspiegel uff ein Burg zu einem Junker und gab sich us für ein Hofjungen. Also müßte er gleich mit seim Junkern reiten uber Feld. Und bei dem Weg stund Hanf, das heißt man im Land zu Sachsen, da Ulenspiegel her ist, Henep. Und da sprach sein Junker: „Siehst du das Krut, das da stoht, das heißt Henep.“ Ulenspiegel sprach: „Ja, das siehe ich wohl.“ Da sprach sein Junker: „Wenn du darzu kummst, so scheiß darin, wann mit dem Krut bindt und henkt man an die Rauber und die sich ohn Herrendienst us dem Sattel ernähren, von dem Bast, das von dem Krut würd gespunnen.“ Ulenspiegel sagt: „Ja, das ist wohl ze tun.“ Der Hofmann oder Junker reit mit Ulenspiegel hin und her in viel Städt und half rauben, stehlen und nehmen, als sein Gewohnheit war. Und begab sich eins Tags, daß sie zu Hus waren und lagen still, und als es Imbiß wollt werden, so gaht Ulenspiegel in die Kuchen. Da sprach der Koch zu ihm: „Junger, gang hin in den Keller, da steht ein irden Hafen oder Düppen, da ist Senep in (als uff die sachsische Sprach), den bring mir her.“ Ulenspiegel sprach ja und hätt doch sein Lebtag noch nirgen kein Senep oder Senf gesehen. Und da er in dem Keller den Hafen mit dem Senf fand, da gedacht er in sich selber, was mag der Koch damit tun wöllen, ich mein, er wöll mich damit binden. Er gedacht auch weiter, mein Junker hätt mich jo gheißen, wa ich solich Krut finde, so sollt ich darein scheißen, und hucket uber den Hofen und schmeiß ihn voll und rühret das um und bracht ihn dem Koch also. Was geschah? Der Koch gedacht nirgends an, und ilens richt in das Schüsselin den Senf an und schickt das zu Tisch. Der Junker und sein Gäst tunkt in den Senf, da schmeckt er ganz übel. Der Koch ward beschickt und angesprochen, was er für Senf gemacht hätt. Der Koch schmeckt auch an den den Senf und spüw us und sprach: „Der Senf schmeckt gleich, als wär darin geschissen.“ Da ward Ulenspiegel lachen. Da sprach sein Junker: „Was lachst du so schamperlich, meinst du, das wir nit künnten schmacken, was das sei? Willt du es nit glauben, so kumm und schmeck hie den Senf auch.“ Ulenspiegel sprach: „Ich eniß sein nit, wissent Ihr nit, was Ihr mich geheißen hont in dem Feld uff der Straßen? Wa ich des Gekrüts sehe, so sollt ich daruff scheißen, man pflege die Räuber damit zu henken und zu erwürgen. Also da mich der Koch in den Keller nach dem Senep schickte, so hab ich darein geton nach Eurem Heißen.“ Da sprach der Junker: „Du feiger Schalk, das soll dein Unglück sein, das Krut, das ich dir zeugt, das heißt Henep oder Hänf, und das dich der Koch bringen hieß, das heißt Senep. Du hast das geton von großer Schalkheit“, und nahm ein Knittel und wollt ihn schlagen. Da war Ulenspiegel behend und entlief ihm von der Burg und kam nit wieder.

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